AD(H)S bei Kindern


 

Unaufmerksam, übermütig, sprunghaft, chaotisch, vergesslich, provozierend, oft Außenseiter...,

 

ABER AUCH fröhlich, einfühlsam, begeisterungsfähig, phantasievoll, gerecht, liebevoll...

  

AD(H)S-Kinder sind meist

missverstandene Kinder.

 

Hinter ihrem Chaos steckt KEINE Unfolgsamkeit und hinter ihren Provokationen KEINE Schädigungs-Absicht. Das unterscheidet AD(H)S ganz wesentlich von vielen anderen Verhaltensauffälligkeiten.

 

Trotzdem bringen betroffene Kinder ihre Eltern und Lehrer immer wieder an und über deren nervliche Grenzen.

 

 

   ADHS oder ADS?

  

ADHS steht für "Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung" ("Zappelphilipp"),

ADS ohne H für "Aufmerksamkeitsdefizit-Störung" ohne Hyperaktivität ("Träume-Suse").

Zusammengefasst werden beide Ausprägungsformen unter AD(H)S.

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Diagnostik

 

Die Diagnose AD(H)S wird heute öfter denn je gestellt. Studien zeigen, dass leider oft falsch diagnostiziert wird, und zwar in beide Richtungen: ADS/ADHS wird oft fälschlicherweise bestätigt, aber auch fälschlicherweise verkannt. Deshalb ist es besonders wichtig, sich an jene Experten zu wenden, die sich speziell mit dieser Diagnose sehr intensiv befassen.

 

Durchgeführt werden in meiner Praxis normalerweise:

- diagnostisches Interview mit den Eltern

- Fragebogen für Eltern und Lehrer/Kindergartenpädagogen

- verschiedene Tests mit dem Kind

- Erhebung von ADS oder ADHS-typischen Auffälligkeiten im EEG

 

 

Krankheit?

 

Kinder und Erwachsene mit AD(H)S tun sich in unserer heutigen Gesellschaft in vielerlei Hinsicht schwer. Allerdings gehen viele Autoren davon aus, dass AD(H)S erst aufgrund der Anpassungs-Schwierigkeit an heutige gesellschaftliche Bedingungen zur "Krankheit" wurde und entwicklungsgeschichtlich eine wichtige, hilfreiche Eigenschaft war (z.B. Thom Hartmann, s. Literaturliste unten). So betrachtet handelt es sich einfach um eine "spezielle Art, zu funktionieren und zu denken", die manche Menschen mehr betrifft und andere weniger oder gar nicht.

 

   

Neurologische Grundlagen

 

Aufgrund der Tatsache, dass sehr viele Betroffene positiv auf Medikamente mit dem Wirkstoff Methylphenidat reagieren (führt zu einem längeren Verbleib des Transmitters Dopamin im synaptischen Spalt), geht man heute davon aus, dass dieser Botenstoff eine wesentliche Rolle spielt. Menschen mit AD(H)S sind speziell im dopaminergen System des Gehirns  (zuständig u.a. für Motivation, Handlungsplanung, Konzentration, Feinmotorik...) offenbar unteraktiviert. Sie schütten weniger Dopamin aus als andere Menschen oder es wird schneller wieder abgebaut.

Aber auch andere Systeme scheinen betroffen zu sein (z. B. Noradrenalin) und es wird weitere intensive Forschung betrieben.

 

Bisher gibt es leider keine Medikamente, die "heilsam" wirken.

AD(H)S-Medikamente unterdrücken aber vorübergehend die Symptome (s.u.) und können insbesondere Kindern, für die keine anderen Therapieformen in Frage kommen und die darauf ansprechen, einige Stunden Ruhe und Konzentrationsfähigkeit ermöglichen.

 

 

Genetische Ursachen

 

Es ist belegt, dass viele Kinder mindestens einen Elternteil haben, der ebenfalls betroffen ist. Auch Zwillingsstudien weisen auf einen hohen genetischen Anteil hin.

Viele Erwachsene mit AD(H)S haben erst durch die Schwierigkeiten ihrer Kinder die eigene Betroffenheit vermutet, können sich oft mit einer gewissen Erleichterung endlich die Schwierigkeiten in der eigenen Biographie und Gegenwart erklären, und holen sich schließlich selbst Unterstützung.

 

 

Sonstige Ursachen

 

Auch Komplikationen während Schwangerschaft, Geburt und früher Entwicklung hat man auf ihren Einfluss untersucht. Demnach vergrößern aber nur gravierende Umstände wie ein Geburtsgewicht von unter 1500g oder Alkoholismus der Mutter während der Schwangerschaft das Risiko nachweislich.

Die weitere Entwicklung hat vermutlich vor allem einen positiven oder negativen Einfluss auf das Ausmaß der Symptomatik.

 

 

Behandlung?

 

Auch wenn man die Begriffe "Krankheit" und "Störung" in Zusammenhang mit AD(H)S diskutieren kann, ist es ernorm wichtig, betroffene Kinder kompetent zu unterstützen, denn die Folgen für ihr Leben - das nun mal in unserer heutigen Gesellschaft gelingen soll - können äußerst nachteilig sein. Aufgrund ihrer hohen Ablenkbarkeit, sowie der Konzentrations- und Motivationsprobleme haben sie meist trotz hoher Intelligenz erhebliche Schwierigkeiten in der Schule und schließen einige Stufen unter ihren Fähigkeiten ab. Auch soziale Schwierigkeiten sind sehr häufig.

 

Die Behandlung mit Medikamenten "heilt" nicht, sondern unterdrückt die Symptome, solange der Wirkstoff aktiv ist. Diese Funktion erfüllen sie aber bei den meisten betroffenen Kindern sehr gut. Falls man sich für diese Art der Behandlung interessiert, ist es wichtig, sich an darauf spezialisierte Neurologen zu wenden, um Wirkstoff und Dosis genau anzupassen und Nebenwirkungen so gering wie möglich zu halten.

 

Eine zentrale Rolle spielen die Information und das Coaching der Eltern. Sie haben durch ihr unmittelbares Verhalten einen großen Einfluss darauf, wie stark sich die Symtpome im Alltag zeigen, wie gut das Kind lernt, damit zurecht zu kommen, und wie gut es v.a. auch trotz der schulischen und sozialen Schwierigkeiten sein Selbstwertgefühl entwickeln kann (> Elternkurs).

 

Klinisch-psychologische Behandlung bei darauf spezialisierten Psychologen hilft den Kindern zusätzlich in den meisten Fällen sehr gut dabei, die Herausforderungen des Alltags zu bewältigen.

 

Neurofeedback scheint nach der Studienlage in den letzten Jahren die vielversprechendste Behandlungsform zu sein, die dauerhafte Erfolge zeigt. Nachteil: Es sind bei den meisten Kindern zumindest 30 Sitzungen nötig, anfangs 2 x wöchentlich. Und Neurofeedback sollte unbedingt beim erfahrenen Klinischen Psychologen trainiert werden. > Forschung

 

Zur Homöopathie gibt es zwar noch keine eindeutigen Erfolgs-Nachweise, einige Betroffene berichten aber von spürbaren Verbesserungen.

 

Bezüglich einer Ernährungsumstellung ist vor allem eine Nahrungsergänzung mit Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren untersucht und für hilfreich befunden worden. Außerdem scheint es eine ganz geringe Zahl von hyperaktiven Kindern zu geben, die auf gewisse normale Nahrungsbestandteile mit ADHS-Symptomen reagieren. Darüber hinaus wurden bisher keine der spekulierten Zusammenhänge wissenschaftlich nachgewiesen.

 

Physiotherapie kann dabei helfen, motorische Koordination, Körperkontrolle und Körperwahrnehmung zu verbessern.

 

 

Literatur

  

Die Literaturliste enthält lediglich eine kleine Auswahl, die sich speziell an Eltern und/oder Lehrer wendet. In diesen und weiteren Büchern können Sie gerne in der Praxis "schmökern".

Achtung: Bei Lernschwierigkeiten sei besonders das Buch von Born & Oehler (2008) ans Herz gelegt. Wichtige Hinweise für Eltern finden sich v.a. in "Wackelpeter und Trotzkopf" vom renommierten ADHS-Experten Manfred Döpfner u.a. (2011).

 

  • Aust-Claus, E. & Hammer, P.-M. (2007). Das ADS-Buch. Neue Konzentrationshilfen für Zappelphilippe und Träumer: Das OptiMind®-Konzept. (14. Aufl.) Ratingen: Oberstebrink.

 

  • Born, A. & Oehler, C. (2008). Lernen mit ADS-Kindern. Ein Praxishandbuch für Eltern, Lehrer und Therapeuten. (6. Aufl.) Stuttgart: Kohlhammer.

 

  • Döpfner, M., Frölich, J. & Wolff Metternich, T. (2007). Ratgeber ADHS. (2. Aufl.) Göttingen: Hogrefe.

 

  • Döpfner, M., Schürmann, S. & Lehmkuhl, G. (2011). Wackelpeter & Trotzkopf. Hilfen für Eltern bei ADHS-Symptomen, hyperkinetischem und oppositionellem Verhalten. (4. Aufl.) Weinheim: Beltz.

 

  • Hartmann, T. (2004). ADHS als Chance begreifen (Nennen wir es das Edison-Gen). Lübeck: Schmidt-Römhild.

 

  • Neuhaus, C. (2007). ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Symptome, Ursachen, Diagnose und Behandlung. Stuttgart: Kohlhammer.

 

  • Reimann-Höhn, U. (2001). ADS - So stärken Sie Ihr Kind. (8. Aufl.) Freiburg i. B.: Herder.

 

 

 

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